Heinz Zolper – Der Künstler als Hofnarr
Die Welt aus den Augen des Kölner Malers Heinz Zolper zu sehen und zu erleben, ist wie eine Reise ins Wunderland zu unternehmen. Surreale – aber nicht irreale – Welten tun sich auf. Die unterschiedlichsten, teilweise höchst widersprüchlichen Motive und Malstile begegnen sich auf Leinwänden und anderen Bildträgern. Gestische Malerei trifft auf Fotorealismus, hehre Kunst auf Kunsthandwerk, existenzielle Philosophie auf heitere Kinderbücher. Es handelt sich in gewisser Weise um eine Art Sampling aus der Kunstgeschichte, aus den Religionen der Welt, aus Sagen und Märchen, aus Politik und Geschichte, aber auch aus der trivialen Alltagskultur – „Volkskunst“ im weitesten Sinne des Begriffs. Alles und nichts ist wichtig, alles und nichts ist gleichwertig, alles und nichts ist „schön“ – oder mindestens bildwürdig.
„Alles ist Malerei“, behauptet Zolper. Und so findet man neben den Gemälden auch Zeichnungen, Collagen, Druckgrafiken, Skulpturen und Objekte, sowie das „Café des Südens“ in der Kölner Südstadt, aber auch ein Theater, eine Galerie und eine Zeitschrift unter dem Markennamen Palazzo. Die Malerei als Gesamtkunstwerk. Das beinhaltet aber auch den Künstler selbst. In einer Reihe von Selbstporträts aus 1984/85 beispielsweise stellt der Künstler sich selbst als Vase, als Ente, oder als „das Gesetz“, aber auch als Farbe dar – neben der Leinwand die wichtigste Ingredienz eines Malerdaseins.
Schon Anfang bis Mitte der 1970er Jahre entstanden die ersten Damenbilder, die alsbald zu einer Art Markenzeichen Zolpers geworden sind. Mit ihrem langen Hals erinnert Zolpers Dame an die Frauenporträts eines Amedeo Modigliani, während ihre Frisur und das Make-up eher an den Fauvisten Henri Matisse denken lassen. In den 1990er Jahren taucht die Dame nochmal auf – diesmal gelegentlich im Dialog mit Meisterwerken von Pablo Picasso. Solche kunsthistorischen Bezüge aus der klassischen Moderne lassen die Dame irgendwie zeitlos erscheinen – oder aus der Zeit gefallen? Dabei handelt es sich bei Zolpers Dame keinesfalls um Porträts im eigentlichen Sinne. Seine Dame ist nicht eine bestimmte Frau aber auch nicht irgendeine Frau, sondern „Frau“ – als Topos oder gar Stereotyp zu verstehen. Ein Idealbild stellt sie allerdings nicht dar – vielmehr eine Stilisierung. Sie ist. Ganz einfach. Und sie ist überall – global unterwegs, von Venedig über Garmisch bis hin nach Hawaii. Zolpers Dame ist aber vor allem ein Spiegelbild der zeitgenössischen Gesellschaft, denn sie schaut völlig teilnahmelos, fast schon gelangweilt aus dem Bild heraus. Sie drückt eine innere Leere aus – eine Leere und Teilnahmslosigkeit, der man heutzutage allzu oft in der realen Welt begegnet.
Wenn Kunst in der Tat ein Spiegelbild der Gesellschaft sein kann, dann spiegeln Zolpers Bilder die rasant fortschreitende Globalisierung wie auch die ungefilterte Beliebigkeit des Internets wider, wo – wie in seinen Bildern – alles simultan stattfindet und alles gleichzeitig wertvoll und wertlos ist. Zolper als die Wikipedia des Kunstbetriebs. Doch Heinz Zolper ist ein durch und durch rheinischer Künstler. Was dann bedeutet, dass man nicht alles, was er sagt, tut oder malt, ernst nehmen sollte. Oder doch? Denn er setzt Bildwitz und Ironie häufig als Strategie ein, um ersthafte Themen anzusprechen – seien sie aus dem Bereich der Politik, der Religion, der Wirtschaft oder auch des Kunstbetriebs. „Humor ist die wichtigste und höchste Form der Lebensbewältigung“, behauptet Zolper. Und in der Tat liegen Komödie und Tragik eng beieinander. Widersprüchliches hebt sich gegenseitig auf. Und im Widerspruch liegt der Kern der künstlerischen Aussage: „Ich male aus dem Willen zur Neutralität“, erklärte Zolper einst in einem Interview und führte fort: „der schöpferische Akt ist für mich undifferenziert, unpersönlich und ohne jeden Absicht. Ich male weder für mich noch für andere.“ Nur um sich dann selbst im darauffolgenden Satz zu widersprechen: „Ich male für mich und für andere, aus dem Willen zur Subjektivität, der schöpferische Akt ist differenziert und voller Absicht.“ Und irgendwo dazwischen liegt die wahre Aussage des Künstlers, die genauso rätselhaft – aber nicht unentschlüsselbar – wie seine Bilder ist. Man muss nur zwischen den Zeilen lesen bzw. zwischen den Motiven betrachten. Der Künstler als Hofnarr: der einzige, der dem König die unverblümte Wahrheit sagen darf. Narrenfreiheit als die höchste und effektivste Form der Freiheit überhaupt.
Gérard A Gerard
(Beitrag veröffentlicht in Köln-Insight.TV)
HEINZ ZOLPER
zum 70. Geburtstag
aus der Sammlung Michael Horbach
Ausstellung: 30.08.20 – 11.10.20
Vernissage: Sonntag, 30.8.20 11 bis 14 Uhr
Michael Horbach Stiftung
Wormser Straße 23
50667 Köln
Mi. und Fr. 15.30 – 18.30 Uhr, So. 11 – 14 Uhr, sowie nach Vereinbarung, Tel. +49 (0)221 2999 3378